Volkstrauertag 2008 – Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt
 
Lieber Leiberstunger Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr geehrte Damen und Herren Vereinsvorsitzende!
Wie in den vergangenen Jahren auch, werden am Volkstrauertag Kirchen- und die politischen Gemeinden den Opfern von Krieg, Vertreibung und Repression gedenken. Hierzu darf ich auch Sie herzlich einladen.
 
Volkstrauertag, am Sonntag, 16.11.2008
 
Gemeinsam wollen wir, im Gedenken an die Opfer, beim Ehrendenkmal auf dem Friedhof einen Kranz niederlegen und in einer Gedenkminute verharren. Ehrenabordnungen der Leiberstunger Vereine unter Fahnenbegleitung, sowie eine kurze Ansprache, musikalisch umrahmt durch den Männergesangverein 1875 Leiberstung e.V., werden diesem Gedenken den entsprechenden Rahmen geben.
 
Beginn der Gedenkveranstaltung, welche wir bei jeder Witterung durchführen werden, ist um 11.00 Uhr auf dem Friedhof Leiberstung.
 
Naber
Ortsvorsteher
 
Ansprache zum Volkstrauertag 2008
von Ortsvorsteher Alexander Naber
 
"Soldaten morden nicht - Soldaten töten! Denn - es ist Krieg!"
Man glaubt, in diesem Satz eine Rechtfertigung hören zu können - fast schon eine Entschuldigung für das, was in vielen Teilen unserer Erde tagtäglich geschieht und was in den vergangenen Jahren, Jahrzehnten und Jahrhunderten millionenfach geschehen ist.
 
"Soldaten morden nicht - Soldaten töten! Denn - es ist Krieg!"
 
Es ist wohl schon ein Unterschied, will man dieser Aussage Glauben schenken.
Was ist aber nun der Unterschied zwischen "Morden" und Töten"?
Das Strafgesetz in unserer Bundesrepublik Deutschland sieht dies ganz eindeutig, unterscheidet es doch zwischen Mord und Totschlag.
 
Von Mord spricht der Jurist, wenn das Opfer mit Absicht oder aus "niederen Beweggründen", wie beispielsweise aus Habgier, getötet wurde.
Von Mord spricht man auch, wenn man diese Tat ganz gezielt vorbereitet hatte, seinem Opfer nachgestellt, aufgelauert und schlussendlich die Tat vollbracht hat - mit vollem Wissen darum.
Entsprechend hart urteilt der Richter in diesem Fall und spricht die Höchststrafe aus,
während im Falle einer "Tötung" das Urteil milder ausfallen kann.
Schließlich wurde das Opfer nicht mit Absicht um sein Leben gebracht.
 
"Soldaten morden nicht - Soldaten töten! Denn - es ist Krieg!"
 
Wie verhält es sich nun damit?
Im Krieg herrschen andere Gesetze, so hat es den Anschein.
Auf den Schlachtfeldern kämpfen die Soldaten gegeneinander.
Wenn eine Kugel ihr Ziel erreicht, wenn eine Granate ein Haus zerstört, eine Bombe einen Flächenbrand auslöst, das Ergebnis ist immer das gleiche:
Menschen sterben, werden verstümmelt, verwundet - an Körper und Seele.
Die Frage zu stellen, ob es nun Absicht war oder eben nur eine zufällige Folge ist mehr als schizophren, schließlich bleibt es beim gleichen Ergebnis.
 
"Soldaten morden nicht - Soldaten töten! Denn - es ist Krieg!"
 
Ist es wirklich zu unterscheiden - das Morden und das Töten, auch wenn oder gerade weil Krieg herrscht?
 
Betrachtet man sich die kriegerischen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahrhunderte und insbesondere der letzten hundert Jahre bis in die heutige Zeit, so finden sich sicher überall Parallelen in ihren Ursachen, aber auch Unterschiede in ihren Auswirkungen.
Man kann die Kriege auf ein paar wenige Ursachen zurückführen.
Ob nun unterschiedliche Glaubensansichten, territoriale Ausdehnungsabsichten oder wirtschaftliche Gründe dahinter stecken - sie kommen immer aufgrund von Wut, Machtgier oder auch Größenwahnsinn zustande.
Wut - über die reichen Bodenschätze des Nachbarn,
Wut - aufgrund der ungerechten Verteilung von Nahrungsmitteln,
Wut - über die Unterdrückung von Minderheiten oder Andersdenkenden;
 
Machtgier - sein eigenes Territorium auszuweiten,
Machtgier - Herrscher über die anderen sein zu wollen,
Machtgier und Gier - dem anderen seine Schätze zu neiden und sie sich selbst einverleiben zu wollen.
 
Aber auch Größenwahn - der alte Traum, oder vielmehr Albtraum, von der Herrschaft über die Welt, das Allmächtige in einer Person zu sein, Gott gleich sein zu wollen in seiner Macht.
 
Wir haben diese Tendenzen in den vergangenen Jahrzehnten und in unserem Jetzt stets vor Augen gehabt und haben sie weiterhin vor Augen.
 
Territorialer Ausdehnungswahn und die Machtbesessenheit gepaart mit Größenwahn waren auch die Gründe für den 2. Weltkrieg.
Schlimmer jedoch als viele Kriege zuvor ging dieser als erster einher mit einem unvergleichlich niedrigen Unrechtsbewusstsein und einer Menschenverachtung, welche sich in der Verfolgung von Minderheiten und dem systematischen und gezielten Versuch der Ausrottung ganzer Volksstämme, ganzer Gruppen - ob nun im Glauben oder Herkunft begründet - darstellten.
 
Durch gezielte Propaganda unterstützt schürte man zusätzlich die Wut in Teilen der Bevölkerung gegen Minderheiten und Gruppen, denen man die Schuld an den Zuständen und den Problemen der damaligen Zeit und der jüngsten Vergangenheit gab.
So konnte scheinbar ohne Gegenwehr dieser Flächenbrand in der 2. Hälfte der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ausgelöst werden und niemand schien ihn löschen zu wollen oder zu können.
 
Sicher - bereits vor dem 2. Weltkrieg, gab es Massaker und Verbrechen gegen ganze Nationen oder Glaubensgruppen:
ob nun die Schlachten des 30jährigen Krieges, die Verfolgung der Hugenotten, welche sich in der "Bartholomäusnacht" für alle Zeiten in der Geschichte manifestierte, wie auch die Trennung zwischen Schwarz und Weiß, welche trotz aller Beteuerungen noch immer in den Köpfen der Menschen existieren.
 
Wer die Geschichte vergisst, ist dazu verdammt sie zu wiederholen.
 
Dieses geflügelte Wort - in den vergangenen Jahren hat es sich immer mehr bewahrheitet und an Bedeutung gewonnen.
Schlimm nur, dass man es dennoch immer wieder verdrängt und vergessen will.
 
"Der König will es!" Dieser Ausspruch soll, wenn die Geschichtsschreiber des 16. Jahrhunderts die Ereignisse richtig überliefert haben, dem Volk suggeriert haben - "es ist richtig so", und bildete die Grundlage für die Massenexekution in der "Bartholomäusnacht" von 1572;
 
Vor 70 Jahren war es dann wieder einmal so weit - Synagogen brannten, Menschen wurden aufgrund ihrer Religion und ihres Glaubens zu Opfern der Novemberpogrome 1938 - in der sog. "Reichskristallnacht".
 
Die Geschichte hatte sich wiederholt !
 
Nur am Rande sei hierbei angemerkt - "Bartholomäusnacht", "Reichskristallnacht" und noch viele solcher Ereignisse - die Schergen suchen den Schutz der Nacht,
denn bei Lichte betrachtet müssten sie fürchten, dass ihr fehlgeleitetes Tun auffallen könnte und ihnen ihr blutiger Weg erschwert werden würde!
 
Ob nun im 16. Jahrhundert oder im 20. - immer waren es Soldaten oder paramilitärische Gruppen, Milizen , welche die Anfänge der schlimmsten Zeiten unserer Geschichte gemacht haben.
 
"Soldaten morden nicht - Soldaten töten! Denn - es ist Krieg!"
 
Vielleicht deshalb?
 
Wenn der König es, befiehlt ist es Gesetz - also kein Mord.
Wenn die Gesellschaft zusieht und das Gesetz nicht einschreitet, weil es die Regierung so wollte - ist es kein Mord?
 
Ein Soldat, dem befohlen wird zu schießen, obwohl er gar nicht will;
ein Scherge, der aus Gier und verblendetem Hass die Hand erhebt;
beides unterschiedliche Beweggründe, deren Beurteilung jedem selbst überlassen sein muss - jedoch am Ende stets das gleiche Ergebnis zur Folge haben.
 
Wenn ich mich in meinen Worten auf die Ereignisse in Deutschland zwischen 1938 und 1945 beziehe - auf den 2. Weltkrieg - so ist dies beispielhaft zu sehen, da dieser Konflikt alle genannten Gründe in sich vereint und somit das Schlimmste darstellt, was passieren kann.
 
Ich will andere Konflikte in ihren Auswirkungen und ihrer Brutalität keineswegs verharmlosen. Auch sie müssen angesprochen werden:
So wie man in der ehemaligen Sowjetunion unter Stalin Millionen Menschen hingerichtet hat, so wie die Kriege in Asien hunderttausende Leben kosteten, wie auch die Rassenunruhen auf dem afrikanischen Kontinent und die Verfolgung von Menschen in den fortschrittlichen Vereinigten Staaten von Amerika bis in die heutige Zeit nicht vollständig zur Ruhe kommt - nur weil sie eine andere Hautfarbe haben -
all diese Ereignisse, all diese Konflikte gilt es anzumahnen, gilt es immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, gilt es sich - wider dem Vergessen - zu erinnern.
So, wie auch in diesen Tagen erinnert wurde an das Ende des 1. Weltkriegs durch die Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages im Wald bei Compiègne vor 90 Jahren.
Aber - der Waffenstillstand hatte einen kurzen Friede zur Folge....
 
Vor rund 80 Jahren brach die Weltwirtschaft zusammen - keine 10 Jahre später brannten Synagogen und die Weltordnung geriet aus den Fugen.
 
In diesen Tagen erleben wir wieder Erdbeben in der Finanzwelt, die Auswirkungen auf die Wirtschaft werden bereits bemerkbar - und wieder geht man auf die Suche nach Schuldigen...
 
Und genau in dieser Zeit keimt doch ein Hoffnungsschimmer am Horizont dieser Welt und dieser, unserer Zeit auf - in Person des neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama.
 
Ein Mann, der versprochen hat, den Krieg zu beenden, ein Mann, der versprochen hat, die Wirtschaft zu sanieren und ein Mann, dessen Hautfarbe endlich für die Integration und das Miteinander stehen soll.
Schon einmal hatte Amerika einen ähnlichen Hoffnungsträger - bis zu der historischen Gewehrkugel von Dallas, deren Flugrichtung bis heute nicht möglich ist!
 
Wiederholt sich die Geschichte....?
 
Hoffen wir, dass zumindest wir aus all diesen Ereignissen der Geschichte lernen und gelernt haben!
Und hoffen wir auch, dass in unserem Denken und Handeln kein Unterschied bestehen mag zwischen Mord und Totschlag - nur weil Krieg ist...
 
Nutzen wir diesen Tag des kollektiven Gedenkens, um uns der Geschichte und unserer Verantwortung für die Zukunft dieser Welt wieder bewusst zu werden.
 
Die Toten der Kriege sind Mahner für den Frieden und die Hoffnung, dass dieses Los der Soldaten und Zivilisten uns und den Generationen nach uns erspart bleiben mag.
 
Ihr Tod darf nicht übersehen werden und nicht umsonst gewesen sein.
Schließen wir alle in unsere Andacht mit ein - nicht nur unsere Gefallenen und Verstorbenen, sondern alle Menschen, welche durch Kriege und Vertreibung ums Leben gekommen sind. Soldaten und Zivilisten - weltweit.
 
Ich lade Sie ein zu einem stillen Gebet und dem gemeinsamen Niederlegen des Kranzes.
Möge das Grün der Zweige ein Zeichen für die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden sein.