vom 16.5.2007
 
Vereinte Kräfte gegen stechende Plagegeister
Schnakenbekämpfung der KABS trägt in Leiberstung Früchte / Kontrolle der Sickergruben
 
VORBOTEN STECHENDER PLAGE- GEISTER: In Regentonnen, Sickergruben und Zisternen können sich unzählige Schnaken entwickeln.
VORBOTEN STECHENDER PLAGE- GEISTER: In Regentonnen, Sickergruben und Zisternen können sich unzählige Schnaken entwickeln.
Von unserem Redaktionsmitglied Wilfried Lienhard
 
Sinzheim-Leiberstung. Mit routinierten Handgriffen öffnet Artur Jöst die Sickergrube in einem Leiberstunger Hof. Ein paar Sekunden verharrt er, dann greift er mit einer langen Kelle hinunter und schöpft Wasser. Gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Kinzig studiert der Biologe, was sich in der Kelle tummelt. Es könnten die Vorboten stechender Plagegeister sein: "Da schwimmen Schnakenlarven in verschiedenen Stadien", beschreibt Jöst den Inhalt der Schöpfkelle. Vier verschiedene Stadien werden auf dem Weg von der Larve zur Schnake durchlaufen, und es sind recht beißwütige Exemplare, die in solchen Sickergruben reifen: In einer Diplom-Arbeit wurde nachgewiesen, dass hier eine besonders aggressive Schnakenart brütet.
 
An Jöst und Kinzig liegt es nun, die Metamorphose zur stechfreudigen Schnake zu unterbinden. Die beiden Angestellten der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) kontrollieren die Sickergruben auf Schnakenbesatz. Werden sie fündig, handeln die Schnakenjäger umgehend. Zwei biologische Mittel stehen ihnen zur Verfügung: Bacillus thuringiensis israelensis (BTI) und Bacillus sphaericus (BS). In vierwöchigem Turnus kontrolliert die KABS die Sickergruben, nach dem dritten Mal - je nach Witterung im Juli oder August - gibt es eine abschließende Bekämpfung mit BS. Gegenüber BTI hat BS einen Vorteil: Es besitzt Langzeitwirkung. Darin liegt allerdings gleichzeitig der Nachteil: Durch den langen Kontakt steigt die Gefahr einer Resistenz.
 
Aus einem Kanister schüttet Kinzig jetzt BTI in einen Wasserbehälter, in der "Reaktionskammer" wie Jöst den Behälter schmunzelnd nennt, vermischt sich der Wirkstoff mit dem Wasser. Schließlich spritzt Jöst die Mischung in die Sickergrube. und er vergisst auch nicht die Abflusslöcher auf dem Boden des ehemaligen Misthaufens. Die Sickergruben sind nicht nur die Brutstätte für die Schnaken, auch eine äußerst aggressive Anopheles-Mücke hat sie für sich entdeckt.
 
Jöst und Kinzig betreuen für die KABS gemeinsam mit einer weiteren Mitarbeiterin den Landkreis Rastatt. Zu ihren "Klienten" zählen in Leiberstung vor allem die Hausschnaken, jene Quälgeister. die schon manchen süßen Schlummer beendet haben. Ihre Eier legen die Vertreter der "Culex pipiens" paketweise auf eine beliebige Wasseroberfläche, das können Sickergruben sein, Regentonnen, Zisternen oder auch eine wasserpralle Blumenvase - im Grunde kommt jede nicht oder nur langsam fließende Wasseransammlung in Frage. Die Rheinschnake dagegen, die ihrem Namen gemäß die KABS-Biologen vor allem in den dem Strom nahen Dörfern beschäftigt, legt die Eier einzeln in den feuchten Boden. Fehlt den Auenwäldern die Nässe, gibt es wenig Rheinschnaken.
 
Der trockene April ist aber keineswegs ein Hinweis auf das, was noch kommen kann: "Das geht nach jeder einzelnen Hochwasserwelle von vorne los", berichtet Michael Kinzig. "Im vergangenen Jahr hatten wir elf solcher Wellen. Das ging bis in den September."
 
Die Hausschnake hat mit dem warmen Wetter keinerlei Probleme, im Gegenteil. Die Weibchen überwintern in einem feuchten Kellerraum oder in einem Stall und werden zeitig im Frühjahr aktiv. Dann suchen sie sich einen "Wirt", und nach der Blutmahlzeit legen sie ihre Eier. "Wenn es warm ist, geht es viel früher los", so Jöst. Mehrere Generationen pro Jahr sind es, und gerade im Sommer kann es eine explosionsartige Vermehrung geben, schließlich dauert es von der Eiablage bis zur Eiablage der nächsten Generation je nach Witterung nur drei bis fünf Wochen.
 
KRITISCHE BLICKE: Artur Jöst (links) und Michael Kinzig kontrollieren, wie stark Sickergruben von Schnakenlarven besetzt sind.
KRITISCHE BLICKE: Artur Jöst (links) und Michael Kinzig kontrollieren, wie stark Sickergruben von Schnakenlarven besetzt sind. Fotos: Wilfried Lienhard
Dass es so weit nicht kommt, dafür steht die KABS. Seit 2001 gehört ihr Sinzheim an, im Jahr darauf trat auch Bühl bei. Die flächendeckende Bekämpfung ist wichtig, sagt Jöst. Auch Waldmücken werden bekämpft, und in einer Gegend wie dem Abtsmoor, wo die Gemarkungsgrenzen so verzahnt sind, wäre ein rein gemarkungsspezifisches Vorgehen wenig sinnvoll.
 
Hilfreich ist auch die Unterstützung im Dorf selbst, sagen die KABS - Mitarbeiter. In Leiberstung standen am Anfang Aufrufe und eine Informationsveranstaltung. Die Sickergrubenbesitzer wurden gebeten, sich zu melden. Der Kampf gegen die Schnaken begann an einer Grube, und als sich Erfolge einstellten, stieg die Zahl der gemeldeten Gruben deutlich an. Bis zu 45 waren es in der Spitze, mittlerweile sind noch - etliche Gruben existieren nicht mehr - etwa 25 im Routineprogramm. "Wir dürften alle erfasst haben", sagt Kinzig. Die Leiberstunger zogen hervorragend mit, lobt Jöst. "Die Leute schauen auch nach ihren Regentonnen, dafür gibt es zum Beispiel BTI - Tabletten". Entsprechend gut sind die Erfahrungen in Leiberstung, wo die Schnaken im Grunde stets hervorragende Bedingungen fanden.
 
GEGENMASSNAHMEN: Mittel wie BTI und BS sollen den Sommer schnakenarm halten.
GEGENMASSNAHMEN: Mittel wie BTI und BS sollen den Sommer schnakenarm halten.
Es gab viele Sickergruben, dazu kommt der umgebende unter Wasser stehende Wald. Nach der anfänglichen Kartierung und der ersten Bekämpfung ist das Problem viel kleiner geworden, wie Ortsvorsteher Alexander Naber bestätigt. "Das Leben wurde wieder normal", sagt er; vor der Zusammenarbeit mit der KABS sei im Sommer ein abendlicher Aufenthalt auf einer Leiberstunger Terrasse fast nicht möglich oder eben mit einer Vielzahl von Stichbeulen zu bezahlen gewesen. Dass sich die Lage gebessert hat, hören Jöst und Kinzig gern. "Die Leute sollen zufrieden sein mit unserer Arbeit", so gibt Jöst das Ziel aus. Und auch für dieses Jahr ist er zuversichtlich. dass der Sommer in Leiberstung keine Schnakensaison wird. Versprechen will er nicht zu viel, "aber wir haben die Hausschnake gut im Griff". Die KABS-Vertreter und die Menschen im Dorf sind sich einig: So soll es auch bleiben.