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vom 3.12.2020
 
Artgerechte Haltung im Blick
Bei Christian und Johanna Merkel auf dem Wendelinushof geht es den Tieren gut
 
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Das Züchter-Ehepaar Christian und Johanna Merkel auf dem Wendelinushof mit Anna, der ältesten Kuh. Foto: Wersich
 
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Mutterkuhhaltung: Auf dem Wendelinushof bleiben die Kälber nach der Geburt bei der Kuh. Foto: Merkel
 
Von Barbara Wersich
 
Sinzheim – Am Anfang war es eine einzige Kuh, 1989 in Winden die erste zusammen mit dem Stiefvater. Und heute sind es über 80 Rinder, erzählt Christian Merkel stolz. Die Liebe zu den „Rindviechern“ wuchs mit den Jahren und mit der Zahl der Tiere und bestimmt bis heute Freizeit- und Privatleben. Der 44-jährige Berufsfeuerwehrmann und seine Frau Johanna sind seit September 2019 Besitzer des Wendelinushofs im Sinzheimer Ortsteil Leiberstung.
 
Auch wenn der Hof abseits des Ortes liegt, Einsamkeit ist hier ein Fremdwort. Denn neben Hunden, Katzen und Hühnern leben die beiden Tierfreunde zusammen mit fünf Eseln und ihrer Angus- und Limousin-Rinderherde. Bei dieser Liebhaberei gehe es ihnen hauptsächlich um die Landschaftspflege, nicht um Milch- oder Fleischproduktion, meint Merkel. Denn bei der Mutterkuhhaltung, die er betreibt, bleibt das Kalb nach der Geburt bei der Kuh, und die Milch gehöre nur dem Nachwuchs ganz alleine, werde also nicht weiterverkauft.
 
Diese aus Frankreich stammende Rinderrasse zeichne sich stark durch ihr sehr ursprüngliches Verhalten aus. Limousin-Kühe seien besonders gute Mutterkühe, die durch ihre kleinen Kälber unkomplizierte Geburten hätten. „Da muss man sich keine Sorgen machen. Unsere Kühe brauchen selten Geburtshilfe und passen auch später sehr gut auf ihre Kälber auf“, berichtet Johanna Merkel, Tierärztin in einer Schwarzacher Tierpraxis. Es sei eher so, dass die Rinder, wenn überhaupt, nur den Besitzer in der Nähe der Kälber akzeptieren. Fremde seien generell nicht erwünscht, und da werde der Nachwuchs sofort verteidigt. Auch sie selber werde von den Rindern nur teilweise gebilligt, wisse sich aber mit einer Tüte Brot zu helfen, sagt Johanna Merkel. So habe sie schon den ein oder anderen ausgebrochenen Bullen zurück auf die Weide bekommen.
 
Die Rinder, die zum größten Teil auf den Streuobstwiesen in Winden und am Hofgut Fremersberg stehen, genießen ein Leben wie im Bilderbuch. Saftige Wiesen, natürliche Bachläufe für ausreichend Wasser und jede Menge Bewegung – das Wohl der Tiere stehe ganz klar im Vordergrund, sagt der Züchter.
 
Artgerechte Haltung und Wertschätzung des Fleisches als Endprodukt liegen den Merkels am Herzen. „Unsere Rinder werden nicht mit zusätzlichem Kraftfutter im Wachstum beschleunigt. Erst im Alter von ungefähr 2 bis 2,5 Jahren erreichen unsere Tiere die Größe und das Gewicht, um zum Schlachter gebracht zu werden“, erzählt das Züchter-Ehepaar. Kälber würden nicht geschlachtet, das ginge gegen ihre Prinzipien. Aber ganz um die Dezimierung der Herde käme man eben nicht umhin, sonst würde die Anzahl der Tiere zu schnell wachsen bei durchschnittlich einem Kalb pro Kuh im Jahr.
 
Zwischen 15 bis 18 Rinder wählen die Züchter im Spätjahr für die Schlachtung aus. „Dass die Tiere dann voll verwertet werden, ist uns wichtig“, betont Christian Merkel. Nichts bliebe übrig, das Fell ginge zum Gerber, Fleisch und Organe verarbeite der Metzger und gehen dann zurück auf den Wendelinushof. Neben einer festen Kundschaft, die über die Jahre durch Mund-zu-Mund-Werbung entstanden sei, wurde nun auch Sven Fitterer aufmerksam auf dieses regionale Produkt. Das magere Fleisch der Merkel-Rinder werde ab dem kommenden Jahr in einzelnen Fitterer-Edeka-Märkten an der Metzger-Theke angeboten. „Das Angebot ist natürlich begrenzt bei der geringen Zahl an geschlachteten Rindern“, so Christian Merkel. Doch das Bewusstsein, dass Fleischkonsum bei einer natürlichen Aufzucht eben nicht an der Tagesordnung, sondern etwas Besonderes sei, das gilt es zu vermitteln. Auch müsse man wissen, wie man Rindfleisch richtig zubereitet, damit es gelingt. Bei Familie Merkel selber stehe Fleisch eher selten auf dem Tisch. Wenn, dann das eigene Rindfleisch oder regionale Produkte anderer Erzeuger. Ein großes Ziel des Züchterpaares wäre für die Zukunft eine artgerechtere Form des Schlachtvorgangs ihrer Rinder. „Der ungewohnte Transport zum Schlachthof ist sehr stressig für die Tiere. Wir wünschen uns, dass das Leben der Tiere auch dort beendet werden kann, wo es begonnen hat – in der gewohnten Umgebung.“