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vom 17.6.2022
 
Mit der Drehleiter zum Storchennachwuchs
Ehrenamtliche Storchenbetreuerin Heike Seywald beringt in Leiberstung in luftiger Höhe drei Jungstörche
 
bt170622Heike Seywald beringt in luftiger Höhe einen Jungstorch in einem Nest bei der Wendelinushalle in Leiberstung. Foto: Michael Brück
 
Von Michael Brück
Sinzheim – Zweimal im Jahr zieht es Heike Seywald in luftige Höhen. Dann tauscht die Gärtnerin, die für die Gemeinde Sinzheim in Leiberstung die Grünanlagen in Schuss hält, ihren bodenständigen Arbeitsplatz gegen die schmale Plattform einer Drehleiter der Sinzheimer Feuerwehr. Als ehrenamtliche Storchenbetreuerin kümmert sie sich schon seit Jahren darum, dass die Nistplätze im Frühjahr in Ordnung sind, und natürlich auch darum, dass die Jungtiere ordentlich beringt werden.
 
Früher, so erzählt Heike Seywald, habe sie das regelmäßig gemacht. Doch mittlerweile habe Elke Henschel die Betreuung übernommen. Sie sei jetzt nur noch Urlaubsvertretung, berichtet Seywald lachend. Deshalb habe sie für diesen heißen Juni-Tag die Verantwortung übernommen, in Leiberstung gleich drei Jungtieren einen Kunststoffring der Vogelschutzwarte Radolfzell anzulegen. „Die Ziffern auf dem Ring sind ein Code, letztlich eine Art Personalausweis für das Tier“, erklärt Seywald. „Darüber wird genau Buch geführt, wir wissen dadurch ziemlich genau, wo ein Storch herkommt.“
 
So konnten die Storchenbetreuer aus Mittelbaden dann auch sehr genau zuordnen, woher der Vater des Jungtiers stammt, das an diesem Tag bei der Wendelinushalle beringt werden soll. „Die Mutter ist schon gut 30 bis 35 Jahre alt, ihr Partner war irgendwann nicht mehr heimgekommen. Und jetzt hat sie sich einen fünfjährigen Storch aus einer Nachbarregion als neuen Partner ausgesucht“, gibtHeike Seywald einen kleinen Einblick in die Familiengeschichte. Auf die Plattform in gut zehn Metern Höhe kommt sie nicht ohne Hilfestellung der Sinzheimer Feuerwehr.
 
Bernd Schlack ist mit der modernen Drehleiter der Freiwilligen Feuerwehr angerückt. Für ihn ist es längst zur Routine geworden, die freiwilligen Helfer zum Putzen und Beringen ganz dicht an den Horst zu bringen. Da, wo es eng wird, wie auf der Platane vor dem Leiberstunger Dorfladen, steigt Schlack selbst mit in den Korb und bugsiert die Drehleiter millimetergenau an den Nest-Rand.
 
Das Beringen sei nicht ganz ungefährlich für die Betreuer, erzählt Heike Seywald. Üblicherweise drücken sich die jungen Störche im Horst bei Gefahr flach auf den Boden und stellen sich tot.
 
„Der ein oder andere wird beim Beringen aber schnell hellwach und wehrt sich“, sagt sie. Man müsse dann sehr aufpassen, dass das Jungtier nicht aus dem Horst fällt. Fliegen könne es nämlich noch nicht.
 
Auch der kleine Storch an der Wendelinushalle ist alles andere als begeistert vom Besuch. Er schreit auf und schnappt mit dem Schnabel nach Seywalds Händen. Für solche Fälle hat die erfahrene Beringerin immer ein altes Handtuch dabei.
 
„Das legen wir ihm über den Kopf, dann wird er sofort ruhig“, sagt sie. Und tatsächlich: Der Storchennachwuchs hat sich fest auf den Horst gedrückt und lässt sich ohne weitere Gegenwehr den Ring ums Bein legen. Seywald: „Die Eltern schauen sich das aus sicherer Entfernung an und kommen zurück, wenn wir weg sind.“ Das sei für sie nichts Neues mehr.
 
Wie viele Storchenpaare es aktuell rund um Sinzheim gibt, kann Heike Seywald gar nicht so genau sagen: „Aber es sind fast schon wieder zu viele. Da muss man auch mal genauer hinschauen, was an Fischen und Fröschen weggefuttert wird.“ Es fehle an natürlichen Feinden und die Witterungsbedingungen für die Aufzucht des Nachwuchses seien meist gut. „Schwierigkeiten gibt es höchstens, wenn es in der Zeit nach dem Schlüpfen noch mal kalt oder nass wird. Dann sind Lungenentzündungen bei den Kleinen keine Seltenheit“, weiß die ehrenamtliche Beringerin.
 
In solchen Jahren würde meist von vier oder fünf Jungtieren eben nur eines durchkommen. Selektiert werde allerdings auch von den Störchen selbst. „Im Nest vor dem Leiberstunger Dorfladen haben die Eltern zwei der vier Jungstörche einfach aus dem Horst geworfen.“