vom 16.2.2008

Von bescheidenen Anfängen in die Spitze
Bundesliga-Schiedsrichter Knut Kircher plaudert in Leiberstung aus dem Nähkästchen

TIPPS VOM TOP-MANN: Knut Kircher (links), im Gespräch mit BSO Bernhard Zerr, referierte in Leiberstung vor den Schiedsrichtern des Bezirks Baden-Baden.
TIPPS VOM TOP-MANN: Knut Kircher (links), im Gespräch mit BSO Bernhard Zerr, referierte in Leiberstung vor den Schiedsrichtern des Bezirks Baden-Baden.                  Foto: Collet

Sinzheim-Leiberstung. Der Mann beeindruckt schon durch seine Größe. Knut Kircher misst 1,96 Meter. Doch nicht die Statur allein hebt den 39-Jährigen aus der Masse heraus. Knut Kircher ist Fußball-Schiedsrichter, und zwar einer der besten im Land. Bernhard Zerr (Ottersweier), früher selbst in der Bundesliga engagiert und heute Schiedsrichter-Obmann im Bezirk Baden-Baden, kündigt Knut Kircher bei der Versammlung der mittelbadischen Schiris in der Leiberstunger Wendelinushalle "als Mitglied der Top fünf in Deutschland" an. Als Kircher zu reden beginnt, wird es unter den 180 Unparteiischen mit einem Schlag ganz still. Der Mann aus dem württembergischen Rottenburg versteht es, die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. "Schiedsrichter heute - mittendrin statt nur dabei" heißt das Thema, mit dem der im Hauptberuf als Entwicklungsingenieur bei Daimler tätige Kircher die Besucher unterhält und informiert.

"Ein Schiedsrichter trifft rund 250
Entscheidungen pro Spiel"

Der Referent vermittelt den Anwesenden das Gefühl, dass er "einer von ihnen" ist. Schließlich kam auch er nicht als Bundesliga-Schiedsrichter auf die Welt, sondern musste sich hochdienen. 1986 fing er mit dem Pfeifen an und leitete in den ersten drei Jahren gerade einmal 15 Begegnungen.

Nach sechs Jahren war er erstmals bei den Aktiven am Start und erkannte, dass aller Anfang schwer ist. Als bei seiner zweiten Beobachtung "unterirdische" 30 von 50 möglichen Punkten herauskamen, erhielt die Karriere den ersten Knick. Was wiederum den rasanten Aufstieg bis in die Bundesliga nicht verhindern konnte. Längst bewegt sich Knut Kircher auch auf internationalem Parkett, pfeift in der Champions League und bei Länderspielen.

Kircher macht seinen Kollegen klar, dass die Grundanforderungen an einen Schiedsrichter im Prinzip auf allen Ebenen die gleichen sind. "Charakterfestigkeit" stellt er ganz oben an. "Möglichst fehlerloses Vorgehen" wird verlangt. "Ein Schiedsrichter trifft pro Spiel rund 250 Entscheidungen, das heißt, er muss sich immer wieder aufs Neue konzentrieren und benötigt dazu absolute Fitness", sagt er.

"Objektivität" ist ein weiteres unverzichtbares Merkmal. Kircher: "Alle müssen gleich behandelt werden." Während Kritikfähigkeit und ein "dickes Fell" bei allen Schiedsrichtern angesagt ist, muss bei international agierenden Referees Flexibilität und Reiselust hinzukommen.

Der hohe Zeitaufwand bedingt, dass die Arbeitsverhältnisse der Betroffenen um bis zu 50 Prozent reduziert werden. Wobei Kircher der Einführung des Profi-Schiedsrichters nichts abgewinnen kann. "Die pfeifen auch nicht besser und außerdem gibt es ein Leben nach dem Fußball", so seine Gegenargumente. Schließlich plaudert Knut Kircher aus dem Nähkästchen, erzählt vom Umgang mit den Stars. Wie er sich etwa mit Mario Basler arrangierte. "Es war ein dauernder Kampf mit ihm, letztlich habe ich ihn aber als Führungsspieler mit gewissen Freiheiten akzeptiert und dafür seinen Einfluss auf die Mitspieler für meine Zwecke genutzt."

"Was ist das größte Lob für einen Schiedsrichter?" fragt Kircher in die Runde und liefert die Antwort gleich mit: "Wenn die Leute fragen, wer hat eigentlich gepfiffen. Wer so unauffällig ein Spiel leitet, der hat einen guten Job gemacht." Daniel Merkel