abblogok vom 6.12.2005
 
Vertragsunterzeichnung in Leiberstung / Neues Gesetz trägt laut Landwirtschaftsminister Peter Hauk zur Entbürokratisierung bei
Kieswerk führt das erste private Ökokonto
 

bt061205aIn etwa zehn Jahren will das Kieswerk Leiberstung die Sicherungsflächen antasten. Ökologische Ausgleichs- maßnahmen sind durch das private Ökokonto nun schon im Vorfeld möglich. Fotos: M. Gernsbeck

Sinzheim (mb) - Die Möglichkeit eines Ökokontos ist nicht länger den Kommunen vorbehalten. Gestern schlossen die Firma Kieswerk Leiberstung und der Landkreis Rastatt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über ein solches Ökokonto - ein Pilotprojekt in Baden-Württemberg, das durch die Novellierung des Naturschutzgesetzes möglich wurde, die der Landtag in Stuttgart vor einer Woche beschlossen hat und die am 1. Januar in Kraft tritt.
 
Dass nun erstmals eine Firma ein Ökokonto führt, schien der Landesregierung so bedeutend, dass der Minister für Ernährung und Ländlicher Raum, Peter Hauk (CDU), nach Leiberstung kam, als Landrat Jürgen Bäuerle und Martin Kern, Geschäftsführer des Kieswerk-Unternehmens, den Vertrag unterzeichneten.
 
Kern sprach von einem wichtigen Tag, da nun die Kiesgewinnung in Leiberstung gesichert sei. Ohne die Möglichkeit des Ökokontos hätte es Probleme gegeben: Im Kieskonzept 2015, das der Regionalverband abgesegnet hatte, waren Sicherungsflächen für künftigen Kiesabbau ausgewiesen. Als das Land FFH-Gebiete an die EU nachmelden musste, fielen weite Teile dieser Sicherungsflächen plötzlich in ein Schutzgebiet. Das Kieswerk sah sich dadurch in seiner langfristigen Planung eingeschränkt. "Wir hätten etwa die Hälfte der Sicherungsflächen verloren", sagte Kern im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Firma Kieswerk Leiberstung, der Industrieverband Steine Erden (ISTE) und das Land traten in Verhandlungen ein, an deren Ende nun das erste privat geführte Ökokonto in Baden-Württemberg steht.
 
Dadurch kann das Kieswerk Leiberstung ökologische Ausgleichsmaßnahmen schon vor weiteren Eingriffen in die Natur durchführen. Minister Hauk sieht dadurch eine Entbürokratisierung. ISTE-Präsident Hans-Martin Peter nannte das erste private Ökokonto ein Beispiel für einen "konstruktiven und kooperativen Umgang zwischen Ökologie und Ökonomie". Der Industrieverband sei zwar stets bestrebt, die Eingriffe in die Natur so gering wie möglich zu halten, doch sei die Rohstoffgewinnung "im öffentlichen Interesse".
 

bt061205bVertragsunterzeichnung in Leiberstung (v.l.): Bürgermeister Hans Metzner, Landrat Jürgen Bauerle, Minister Peter Hauk, Kieswerk-Geschäftsführer Martin Kern und ISTE-Präsident Hans-Martin Peter.

Grundsätzlich kritisierte er die "Olympiade der Unterschutzstellungen", worauf Martin Klatt vom Landesnaturschutz- verband von einer "Olympiade der Naturbelastungen" sprach. Der Möglichkeit privater Ökokonten stehe der Landesnatur- schutzverband mit skeptischem Optimismus gegenüber. Es sei eine weise Entscheidung der Firma Kern. sich schon sehr weit im Vorfeld Gedanken über Ausgleichsmaßnahmen für weitere Kiesabbauflächen zu machen. Nach den Worten von Landrat Bäuerle werde durch das Ökokonto der "Zielkonflikt zwischen Rohstoffsicherung und Erhaltung des Naturhaushaltes" entschärft . "Wir brauchen beides: Rohstoffe und eine nachhaltig geschützte Landschaft", sagte Bäuerle.
 
Wie bei der Unterzeichnung deutlich wurde, ist der Vertrag indes kein Freischein für weiteren Kiesabbau. Wenn das Kieswerk die Sicherungsflächen nutzen will, was laut Kern in etwa zehn Jahren zu erwarten ist, bedürfe es eines Konzessionsverfahrens. Das Ökokonto decke lediglich den "naturschutzrechtlichen Teil der Konzession" ab, betonte Gerold Schenkel von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt.
 
Für den ökologischen Ausgleich der neuen Kieswerkflächen gebe es "genügend Möglichkeiten", sagte Schenkel und nannte als Beispiele die Schließung entwässernder Gräben, die naturnahe Gestaltung von Gräben und Fließgewässern oder die Umwandlung von feuchten Ackerflächen in Grünland.
 
Darum muss sich das Kieswerk nicht unbedingt selbst kümmern. Da die Ökopunkte auf dem Ökokonto handelbar sind, können etwa Privatleute oder Landwirte auf ihrem Grund derlei Maßnahmen durchführen und die Punkte verkaufen. Minister Hauk sieht darin einen weiteren Vorteil der neuen gesetzlichen Möglichkeiten: Die Natur erhalte so "erstmals einen materiellen Wert". Auf der anderen Seite berichtete Hauk aber auch von den Bedenken einiger Naturschutzverbünde, wonach sich Firmen von ökologischen Ausgleichsmaßnahmen freikaufen könnten.