abblogok vom 7.7.2005
 
Storchenpaar in Leibersturig zieht in diesem Jahr drei Jungtiere groß / Paul Frietsch kümmert sich seit Jahrzehnten um die Wintergäste / Feuerwehr hilft
Vorbereitungen auf langen Flug in Richtung Süden
 

bt070705a"Storchenvater": Paul Frietsch.

VON NATALJA KURZ
Sinzheim - "Das werde ich nie vergessen." Noch heute schwärmt Paul Frietsch von jenem Tag im Februar 1985, als die Weißstörche wieder nach Leiberstung kamen: zwei Flugstörche und zwei Jungstörche von der Aufzuchtstation in Schwarzach. Ein Paar bleibt seither im Winter in Leiberstung und zieht Junge auf - in diesem Jahr sind es drei. Demnächst wird die Storchenfamilie Leiberstung verlassen und in Richtung Süden aufbrechen.
 
"Vor dem Krieg haben viele Weißstörche hier gelebt. Wenn sie sich sammelten, haben wir gesagt, sie halten Schule, weil sie immer beisammen standen, einer davor, ganz wie der Lehrer beim Unterricht", erinnert sich Frietsch. Als der Zweite Weltkrieg begann, verschwanden die Störche aus Leiberstung. Später hat sich der Ortschaftsrat für ihre Wieder-Ansiedlung eingesetzt.
 
Frietsch, der ehemalige Ortsvorsteher und "Storchenvater", hat sich mit seiner Familie von Anfang an um die Tiere gekümmert: "Als die ersten vier Störche hier ankamen, hat es in Strömen geregnet. Und in den Tagen danach war es so kalt, dass meine Frau Mitleid mit ihnen bekam. Wir haben ihnen einen Teppich ins Gehege gelegt und eine Wand gebaut - gegen den kalten Wind". Ein Stall hätte nichts genutzt, erklärt der pensionierte Landwirt, so etwas mögen Störche nicht. "Sie müssen immer den Himmel sehen können", so der Fachmann.
 
Am Anfang musste das Storchengehege noch geschlossen bleiben, damit die Störche ihr Zugverhalten ablegten. An Ostern 1985 machten die Leiberstunger Tierfreunde dann gespannt das Tor zum ersten Mal auf: "Es hat vielleicht fünf Minuten gedauert. Dann ist der eine Storch losgeflogen - so hoch, dass man ihn mit bloßem Auge gar nicht mehr erkennen konnte", erinnert sich der 76-jährige Frietsch noch heute an den Schrecken. Nach wenigen Minuten sei der Storch aber zur Erleichterung seiner Pfleger wieder sicher an seinem Gehege gelandet.
 
Nach zwei Jahren im Freigehege zogen die Weißstörche um in ein eigens eingerichtetes Nest auf dem Silodach des Wendelinushofes von Paul Frietsch und seiner Frau Hannelore. Von dort wurde das Nest auf das Rathaus verlegt, und als das Rathaus abgerissen wurde, zogen die Störche ein letztes Mal um: auf den Mast an der Wendelinushalle. "Die freiwillige Feuerwehr hat das Nest ganz vorsichtig vom Rathausdach auf den neuen Mast transportiert", erzählt Frietsch, der selbst bei der Feuerwehr ist.
 

bt070705bDie Störche verlassen demnächst ihr Winterquartier auf dem Mast bei der Wendelinushalle. Fotos: Kurz

 
Im Winter - wenn die Vögel kein Futter finden - werden sie von Paul und Hannelore Frietsch versorgt: "Die beiden Störche fressen Eintagsküken -ungefähr 4.000 pro Saison, je nach Witterung und Temperatur. Die kommen schon immer auf den Hof und warten, bis sie gefüttert werden." Für die Küken hat Frietsch eine zweite Gefriertruhe im Keller aufgestellt. Wenn der Frühling beginnt, jagen die Störche wieder selbst. Sie fressen Mäuse und Maulwürfe, manchmal stehen Fische auf ihrem Speiseplan.
 
Seit dem Tag, an dem die Störche wieder nach Leiberstung kamen, hat Frietsch viel mit ihnen erlebt. In einem Ordner hat er Fotos, Zeitungsberichte und genaue Aufzeichnungen über das Brutverhalten und den Verbleib der Störche gesammelt: "Von dem ersten Storchenpaar hätte sich wirklich jedes Ehepaar eine Scheibe abschneiden können. Ihr Futter haben sie sich immer ganz redlich geteilt. Und jeden Tag sind sie mit uns mit geflogen, wenn wir spazieren gingen."
 
Dann kam das tragische Ende: An einem Abend und am darauf folgenden Tag starben ein Junges und die Mutter am selben Strommasten, "danach mussten wir den zweiten Storch einfangen", erzählt Frietsch, "über den Winter hat er sich in Schwarzach eine neue Frau gesucht. und im nächsten Jahr kamen sie dann zu uns."
 
Ein Jungstorch kam in Mali ums Leben, meldeten Vogelschützer, ein anderer in Mauretanien. An einer Totmeldung aus Regensburg, sagt Frietsch, habe er wenigstens erkennen können, dass die Störche die Ostroute nach Afrika genommen hätten. In den letzten Jahren sei es um seine Schützlinge aber "Gott sei Dank ruhiger geworden - abgesehen von den normalen Kämpfen um den Brutplatz im Frühjahr".
 
In Leiberstung fühlen sich die Störche wieder wohl. Einmal im Jahr ist "Nestputzete": Mit Hilfe der Feuerwehr wird ihr Zuhause vom Winterdreck befreit. Beim Beringen und Registrieren hilft Vogelexperte Josef Günther aus Moos. Und morgens nach der Pause gehen die Elternstörche auf dem Hof der Grundschule spazieren, auf der Suche nach übrig gebliebenem Pausenbrot. "Die schauen auch manchmal vom Fensterbrett aus ins Klassenzimmer", erzählt Frietsch und lacht. Die drei Jungstörche machen seit ein paar Tagen bereits kräftig Flugübungen. "Das geht jetzt nicht mehr lange". vermutet der Leiberstunger "Storchenvater": "Bald können sie fliegen und ihr eigenes Futter suchen. Und im August machen sie sich auf den langen Weg nach Afrika", weiß Frietsch.