abblogok vom 21.5.2005
 
Molkerei Leiberstung begann die Arbeit
Im Frühjahr 1905 haderten die Winzer mit dem Wetter / Irritationen um einen Brief
 
Das Frühjahr 1905 machte den Winzern unter Yburg und Fremersberg keine rechte Freude. Die Arbeit in den Reben ging nur langsam voran, berichtete der Acher- und Bühler Bote Mitte April. Das war misslich, weil es auch in den Wintermonaten nur wenige Tage gegeben hatte, "wo der Rebmann vor Schnee und Kälte hinauskonnte, seine Reben zu bestellen". Im März habe der Regen selten aufgehört, und bis jetzt ist auch vom Aprilnichts besseres zu sagen". Folglich war die Arbeit "sehr im Rückstand, nur das Biegen der Reben dürfte überall erledigt gewesen sein, stellte der Chronist fest: "Dazu gab es bei dem nassen Wetter ausgiebig Gelegenheit." Die Winzer begannen zu bangen: "Bekommen wir jetzt rasch nacheinander warme sonnige Frühlingstage, so schwellen die Knospen und sind leicht abgedrückt und mit jedem fehlenden Auge mindert sich die Aussicht auf einen guten Herbst, der ohnehin noch in weiter Ferne steht."
 
Wesentlich freudiger erschien dem Acher- und Bühler Boten, was am 13. Mai 1905 aus Steinbach zu berichten war. Dort wurde über die Viehpreise gestaunt. Der "Sternen"-Wirt Fleischer habe 1.200 Mark für eine Kuh mit Kalb angeboten bekommen. "Herr Fleischer glaubte das schöne Tier trotz den verlocken- den Preisen nicht veräußern zu sollen", war in der Zeitung zu lesen. Er wollte Kuh und Kalb nach München zu einer Ausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft schicken. Als Grund für die hohen Preise nannte die Zeitung gute Futteraussichten. Dass die Steinbacher Viehzüchter erfolgreich waren, zeigte sich im Mai 1905 auch bei einer Prämierung in Bühl. Gleich 15 Preise holten die Züchter aus der Meister-Erwin-Stadt.
 
Bei verschiedenen Veranstaltungen konnten sich die Einwohner Steinbachs im Frühjahr 1905 weiterbilden. Am 19. April berichtete der Acher- und Bühler Bote über eine Versammlung des Volksvereins' die "auf das schönste" verlaufen und "sehr gut besucht" gewesen sei. Dabei hielt der aus Steinbach stammende Theologe Josef Wäldele einen "lehrreichen Vortrag über die Möglichkeit der Wunder und widerlegte die Einwände des Unglaubens, die derselbe gegen die Wunder vorbringt". Zum 100. Todestag von Friedrich Schiller wurden im Mai 1905 landauf, landab Gedenkfeiern veranstaltet. Eine solche Schiller-Feier hielt die Steinbacher Schule mit ihren oberen Klassen ab. Gedichte und Lieder wurden vorgetragen, und Oberlehrer Kern beschrieb die Ideen, die manchen Gedichten Schillers zugrunde liegen: "Wie bei so manchen Gelegenheiten zeigte es sich auch hier wieder, wie sehr Herr Oberlehrer Kern es versteht, zum Herzen der Kinder zu sprechen."
 
Leichte Irritationen lösten vor 100 Jahren die Irrwege aus, die ein Brief nahm, der in Ludwigshafen aufgegeben worden war und eigentlich nach Neuweier gebracht werden sollte. Zuerst landete er in einem Ort namens Neuweiler bei Buchsweiler im Elsass, dann in Neuweiler bei Stürtzelbronn: "Da endlich hat der Postbeamte die Adresse richtig gelesen und schickte den Brief nach Neuweier bei Baden-Baden."
 
Eine Neuerung gab es aus Leiberstung zu melden. Dort war für den 26. Mai ein Vortrag im "Rössel" angekündigt: Landwirtschafts-Inspektor Stengele sprach über Milchverwertung, und "selbst aus dem benachbarten Weitenung" gab es großen Zuspruch. Stengele hielt eine "praktische, leicht verständliche Rede", die in einem Appell an die Leiberstunger Bürger gipfelte, eine Molkerei zu gründen. Als auch Hauptlehrer Odenwald sich in diesem Sinne äußerte, erklärten sich 56 Bürger per Unterschrift zum Eintritt in die zu gründende Molkereigenossenschaft bereit. "Die Molkerei Leiberstung ist damit zur Tatsache geworden." Wilfried Lienhard