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vom 12.6.2023
 
Ringe für die Leiberstunger Jungstörche
Feuerwehr steuert mit Drehleiter die Horste an / Plastik gefährdet die Tiere
 
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Erst im letzten Moment verlässt der Storchenvater das Nest bei der Wendelinushalle. Dann kann die Beringungsaktion starten.Foto: Martina Fuß
 
Von Martina Fuß
Sinzheim – Kaum sichtbar, versteckt auf dem Ast einer mächtigen Platane vor dem Leiberstunger Dorfladen, wohnt eine ganz besondere Storchen-Dame. Sie ist mit über 35 Jahren eine alte Lady und gilt wohl als sehr attraktiv in der Storchen-Männerwelt. Vor drei Jahren, als ihr langjähriger Partner nicht mehr zurückkehrte, hat sie sich einen jungen Herrn geangelt, mit dem sie nun jedes Jahr Nachwuchs hat.
 
Die schöne Vogel-Dame hat nicht nur ein gesegnetes Alter erreicht. Neben der Saison-Ehe mit dem jungen Storch pflegt sie außerhalb der Balz- und Brutzeit eine Liaison mit einem Storch aus der Nachbarschaft. Im Winter, wenn ihr junges Männchen ausgeflogen ist, kommt Herr Adebar aus Steinbach und macht es sich mit ihr im Leiberstunger Nest gemütlich. Im Frühjahr gehen beide wieder getrennte Weg, jeder wartet auf seinen Partner, sie in Leiberstung, er in Steinbach.
 
Am Freitagabend wurde nun der Nachwuchs auf der Platane beringt. Wann und wohin fliegen sie über den Winter, wohin kehren sie zurück, wie alt sind sie? Über all diese Fragen gibt ab sofort ein schwarzer Plastikring mit einer Buchstaben-Zahlen-Kombination Auskunft. „Jeder Beringer erhält pro Jahr einen Satz Elsa-Ringe“, erklärt Elke Henschel, die im Auftrag der Vogelwarte Radolfzell beringt. Die Buchstabenkombination steht für „European Laser Signed Advanced“. Die schwarzen Kunststoffringe mit weißer Schrift werden um die Kniegelenke gelegt, in ungeraden Jahren um das linke, in geraden Jahren um das rechte Knie.
 
„Der Ring behindert das Tier in keiner Weise, erlaubt uns aber, mit einem Teleskop die Kennzeichnung zu entziffern“, erklärt Henschel, die ehrenamtlich 50 Horste betreut. Für das Landesamt für Umweltschutz dokumentiert sie ihre Beobachtungen.
 
Als die jungen Störche über dem Dorfplatz ihren Ring erhalten, sind die Storchen-Eltern ausgeflogen. Zusammen mit Elke Henschel warten Heike Seywald und Ortsvorsteher Josef Rees auf die Drehleiter der Feuerwehr Sinzheim. Heike Seywald kennt und beobachtet die Leiberstunger Störche schon lange und steigt mit in den Korb, den Feuerwehrmann Bernd Schlack behutsam über die Äste steuert. Mit dabei hat sie eine Gartenhacke mit langem Stil. Damit kann sie, falls die Störche weit hinten im Nest liegen, die Kleinen ein bisschen nach vorne ziehen. Immerhin muss sich Beringerin Henschel weit aus dem Korb lehnen, um an die Vögel heranzukommen. Mit dabei sind auch Tuch und Gartenschere. „Wenn die Tiere Panik bekommen, legen wir ihnen das Tuch über den Kopf. Das beruhigt sie sofort“, erklärt Heike Seywald. Die Schere nutzt sie, um die Zweige der Platane etwas zurückzuschneiden, damit der bevorstehende Abflug der Jungstörche komplikationslos bleibt. Nach wenigen Minuten ist die Beringungsaktion erledigt, der Korb steigt wieder ab.
 
Weiter geht’s zur Wendelinushalle, wo ein künstlich erbautes Nest steht. Wildes Flattern und Gerangel lassen erkennen, dass Vater Storch gerade Essen liefert. Stolz schaut er sich um und verlässt das Nest erst, als sich der Korb nähert. Henschel weiß, dass die Eltern wegfliegen, wenn Menschen anrücken. Das macht auch Vater Storch. Er bleibt aber in der Nähe, während Feuerwehrmann Schlack das Nest von oben ansteuert. „Wir nähern uns immer von oben, sodass die Tiere in eine Schockstarre verfallen. Würden wir von unten kommen, könnten sie derart erschrecken, dass sie aus dem Nest hüpfen“, erklären die Storchen-Betreuerinnen.
 
In beiden Nestern gibt es jeweils zwei gesunde Störche, so das Fazit von Henschel und Seywald. Während der Aktion überprüfen sie die Horste auch auf Sauberkeit. Das größte Problem ist Plastik. Zum einen verstopft es die Nester, zum anderen drohen die Tiere daran zu ersticken. Zur Kontrolle bringt Henschel ein „Gewölle“ mit, Unverdauliches, das die Tiere  wieder ausspucken. Sie ist erleichtert: „Die roten Partikel sind kein Plastik, sondern rote Käfer.“