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vom 19. April 2003

Ostern 1903: In Varnhalt gründete sich ein Kirchenbauverein
Forderungen nach neuen Gotteshäusern
In Leiberstung wünschte man sich vor 100 Jahren einen "Allerweltschwätzer"
 
Ostern 1903: Mancherorts unter Yburg und Fremersberg beschäftigte man sich mit Kirchenbauten. So etwa in Varnhalt, wo in der Karwoche eine Besprechung über einen Kirchenbau stattfand. Die Versammlung beschloss die Gründung eines Kirchenbauvereins, alle Anwesenden traten sofort ein. Das Mindestalter setzte der Verein auf 17 Jahre fest. "Es ist zu hoffen, daß die hiesige Einwohnerschaft sich recht lebhaft und opferwillig anschließen wird. Vereinten Kräften muß es gelingen im Laufe der Jahre eine eigene Kirche bei uns zu erstellen . . ." (1909 konnte in Varnhalt eine Notkirche eingeweiht werden, welchen Anteil der Kirchenbauverein hatte, ist den vorliegenden Chroniken nicht zu entnehmen. Er findet keinerlei Erwähnung.)
 
Steinbach hatte 1903 schon seit Jahrhunderten ein Gotteshaus. Doch mancher betrachtete es als zu klein, wie verschiedenen Berichten des Acher- und Bühler Boten aus der Osterzeit vor 100 Jahren zu entnehmen ist. Über den Weißen Sonntag 1903, als 68 Kinder erstmals an den Tisch des Herrn traten, hieß es: "Bei diesem Anlaß zeigte sich so recht wieder, wie klein unsere Kirche ist und wie dringend eine Erweiterung nötig wäre. Das Gedränge war gestern ein geradezu lebensgefährliches, zumal bei dem schlechten Wetter alles in die Kirche hereindrückte, während bei guter Witterung der Vorplatz noch als Kirche dienen muß".
 
Die Jakobuskirche bot 180 Sitzplätze für 3.200 Katholiken: Varnhalt gehörte zur Pfarrei Steinbach. Der Platzmangel war offensichtlich; dennoch gab es offenbar Widerstände gegen die Erweiterung, die dann aber 1906 begonnen und 1907 abgeschlossen wurde. So berichtet der Steinbacher Chronist zu Ostern 1903: "Ottersweier bekommt eine geradezu herrliche Kirche, ebenso Oberachern. Dann wären allerdings die Steinbacher allein noch die rückständigen. Da aber gerade solche, die jetzt noch gegen den Kirchenbau sind, sonst so schwärmen für das Wort Fortschritt, so ist wohl Hoffnung, daß ihre Begeisterung für den Fortschritt sie auch noch bewegt, für eine bessere Kirche etwas zu tun".
 
Weltlichere Probleme hatten derweil die Leiberstunger Bürger. Sie wünschten sich dringend einen Telefonanschluss in ihrem Ort. "Eine Gemeinde ohne diesen Apperat", hieß es am 16. April 1903 im Acher- und Bühler Boten, "Allerweltschwätzer, auf deutsch Telephon genannt, liegt außerhalb des Verkehrs." Klar erkannt wurde in Leiberstung der wirtschaftliche Nutzen dieser Einrichtung: "Zu Zeiten des Tabakverkaufs hat ein solches Telephon schon oft die besten Dienste geleistet und schon oft auf einmal damit rentiert."
 
Nicht verschont von Unglücksfällen blieb an Ostern manche Ortschaft. So starb am Karsamstag 1903 ein 56 Jahre alter Steinbrecher in Varnhalt, dem im Steinbruch ein herabfallendes Felsstück auf den Kopf gefallen war. In Leiberstung musste um die Ostertage ein junger Mann zu Grabe getragen werden, dem ein Pferd einen Tritt in den Unterleib verpasst hatte.
 
Einige Tage vor der Karwoche war das Klostergut Fremersberg auf Sinzheimer Gemarkung das Ziel zahlreicher Weinliebhaber. Einige Jahre zuvor war auf dem Klostergut eine jährliche Weinauktion eingeführt worden. Jetzt war es wieder so weit. 123 Hektoliter Wein waren im Aufgebot. Er stammte vor allem aus der Sorte Riesling. Doch auch Gut-edel, Muskateller, Silvaner und Traminer waren darunter : "Die Weine sind garantiert naturrein", hieß es In der Zeitung, "und eigenes Gewächs vom Fremersberg." Vertreten waren die Jahrgänge 1898, 1900, 1901 und 1902. lnsgesamt wurden bei der Versteigerung 80 Hektoliter verkauft.
 
Der Wein beschäftigte auch den Bauernverein In Neuweier, der sich einige Tage vor Ostern traf. Pfarrer Leopold Meidel forderte zu einem entschiedenen Kampf gegen die Rebschädlinge auf. Der Rebmann dürfe nicht den Mut verlieren, sondern müsse dem Motto folgen: "Tue das Deine, dann tut Gott das Seine." Gegen die Motten des Heu- und Sauerwurms sollte die Neuweierer Dorfjugend mit Fangschirmen ausschwärmen. beschloss die Versammlung des Bauernvereins. Und die Kinder? Die Kinder hatten Ihren Spaß beim Suchen der Ostereier. Die Herkunft der Ostereier erklärte man ihnen so: An Gründonnerstag fliegen die Glocken nach Rom, an Ostern kommen sie mit den Eiern wieder zurück. Wilfried Lienhard