abblogok vom 17.12.2004
 
Rat gewährt erneuten Zuschuss zur Beförderung der Sinzheimer Grundschüler / Bürgermeister spricht von "Gratwanderung"
Trotz Finanznot: Gemeinde unterstützt Eltern
 

bt171204fb
Der Bücherbus des Landkreises wird auch im kommenden Jahr Sinzheim ansteuern. Obwohl die Gemeinde nun 100 Prozent der Kosten tragen muss, steigt ihr Anteil nur geringfügig. Foto: W. Breyer

Sinzheim (mb) - Geradezu wehmütig kommentierte Bürgermeister Hans Metzner in der Sitzung des Gemeinderats die Feststellung der Jahresrechnung 2003: "Das waren noch Zeiten", als der Vermögenshaushalt mit 1,4 Millionen Euro aus dem Verwaltungsetat gespeist werden konnte. Mittlerweile sind in Sinzheim harte Zeiten angebrochen. Wie mehrfach berichtet, klafft im Haushaltsplanentwurf 2005 eine gewaltige Lücke, die durch die Beschlüsse des Rats am Mittwochabend nicht eben kleiner geworden ist.

Bei fast allen Punkten der Tagesordnung ging es ums Geld. Einziger Posten auf der Habenseite war der Gewinn der Gemeindewerke aus 2003 in Höhe von 415.500 Euro. der in den kommunalen Haushalt fließt. Ansonsten beriet das Gremium ausschließlich über Ausgaben. Den Auftrag für den Umbau des Knotenpunktes Rosenstraße/K 3731 (Kreisverkehr) in Kartung führt ein Sinzheimer Unternehmen aus. Kostenpunkt: rund 270.000 Euro. Die Gesamtkosten der Maßnahme werden sich laut Verwaltung auf 323.000 Euro summieren. Finanziert sind lediglich 300.000, die Differenz muss im Haushalt 2005 geschultert werden.
 
Obwohl der Landkreis Rastatt die Kosten für die Fahrbücherei im kommenden Jahr komplett an die beteiligten Kommunen weitergibt, steigt der Sinzheimer Anteil nur geringfügig: von 13.500 Euro auf 15.850. Bislang trugen die 13 Gemeinden nur die Hälfte des Bücherbus-Unterhalts. Hätte sich diese Summe verdoppelt, wären laut Vorlage wohl 70 bis 80 Prozent der Gemeinden ausgestiegen. Also suchte der Kreis nach Möglichkeiten, die Kosten zu senken. Dies soll durch Erhöhung der Einnahmen, Vermietung von Werbeflächen am Bus, Erhebung von Leserentgelten, höhere Mahngebühren sowie durch Personaleinsparungen und Kürzungen bei der Medienbeschaffung geschehen. Außer Hügelsheim wollen alle beteiligten Gemeinden die Vereinbarung mit dem Kreis zur Übernahme sämtlicher Kosten eingehen, auch der Sinzheimer Rat stimmte zu.

Bürgermeister Metzner wies jedoch darauf hin, dass der Landkreis die Fahrbücherei spätestens dann einstellen werde. wenn der Bücherbus den Geist aufgibt. "Dann müssen wir nach anderen Lösungen suchen", blickte Metzner in die Zukunft. "Sehr froh über diese Äußerung zeigte sich Dietrich Dürr (SPD), denn eine öffentliche Bücherei sei in Sinzheim unverzichtbar.
 
"Genugtuung über breite Einigkeit"
 
Ebenfalls aus dem Sparkurs des Landkreises resultierte 2003 der Beschluss des Kreistags, zur Beförderung der Grundschüler nur noch 20 Euro pro Kind und Monat zu bezahlen. Die Eltern hätten somit die Differenz von zehn Euro im Monat selbst tragen müssen. Als Reaktion auf Proteste hatten die meisten Kommunen diesen Anteil als freiwillige Leistung übernommen, um die Eltern zu entlasten - so auch Sinzheim, was im laufenden Jahr mit rund 12.000 Euro zu Buche schlägt. Unter dem Druck der Finanznot hatte die Verwaltung nun vorgeschlagen, diese Förderung, die sich 2005 auf rund 15 000 Euro belaufen würde, einzustellen. Dem folgte der Rat nicht. Siegfried Fäßler stellte im Namen der CDU-Fraktion den erweiterten Antrag, diese Kosten im kommenden noch einmal zu übernehmen - und stieß auf fraktionsübergreifende Zustimmung. "Wir dürfen das nicht durchschieben an die Familien', sagte Kurt Wolf (FWV). "Wir haben im Haushalt ohnehin Dinge vor, die Familien mit Kindern belasten", betonte SPD-Sprecher Dürr, der diese freiwillige Leistung der Gemeinde "mehr als symbolischen Beitrag zur Entlastung" der Familien sieht. Dürr formulierte seine "Genugtuung über die breite Einigkeit im Gremium". Obwohl der Rat den Vorschlag der Verwaltung ablehnte, hatte Bürgermeister Metzner "kein Problem mit diesem Beschluss". "Wir müssen sehen, wie wir das bewerkstelligen", sagte der Rathauschef mit Blick auf den kommenden Haushalt - und sprach von einer "Gratwanderung".
 
Unklar ist außerdem, wie die Zuschüsse der Kommune an die katholische Pfarrgemeinde St. Martin und an den SV Leiberstung finanziert werden können. Der Rat genehmigte 19.000 Euro als Beitrag zur Renovierung der Schiftunger Kirche und erklärte sich auch bereit, maximal 40 Prozent der anerkannten Baukosten zum Umbau beziehungsweise der Erweiterung des Leiberstunger Clubhauses zu übernehmen. Im Haushalt 2005 sind dafür 30.000 Euro eingeplant, weitere 40.000 Euro stehen für die Zukunft als Verpflichtungsermächtigung bereit. Angesichts der beschlossenen Ausgaben klagte Stefan Wicht (Grüne) in der Sitzung über "Bauchschmerzen". Zwar freue er sich, dass allen Anträgen zugestimmt worden sei. doch müsse die Gemeinde dieses Geld den Bürgern am Ende an anderer Stelle "wieder abnehmen".
  • · KOMMENTAR
An striktem Sparkurs führt kein Weg vorbei
VON MICHAEL BRENNER
Nur konsequent handelte der Gemeinderat. als er sich der Verwaltung widersetzte und geschlossen dafür votierte, an den freiwilligen Leistungen zur Beförderung der Grundschüler festzuhalten. Man stelle sich vor, das Gremium hätte die Eltern zur Kasse gebeten und im gleichen Atemzug zigtausend Euro zur Sanierung eines Clubhauses bewilligt.